Bild (Quelle: Pfarrteam)
Wir leben leider immer noch oder - ja seit einigen Jahren wieder - in einer Welt, in der Bomben fallen – und in dieser Welt, da hängt dieses eine Holz.
Kantig, rau und unbewegt.
Dieses Holz ist nicht mit einer Fahne bemalt. Nicht mit Stahl ummantelt.
Es ist: ein einfaches Kreuz. Zwei Balken. Ein Schnittpunkt. Eine Wunde.
Es steht nicht auf der Seite der Sieger dieser Erde; da stand es nie. Da wird es auch nie stehen. Es steht da, wo die Verlierer liegen:
Am Rand.
Es steht als Zeichen der Verlierer - oder sagen wir besser: der scheinbaren Verlierer. Denn nur das kann erklären, was eben geschehen ist, nämlich: daß das Kreuz geblieben ist – durch Jahrhun-derte hindurch.
Kein Zeichen ist so bekannt – und so umstritten. Deswegen fragen wir doch mal, auch, wenn wir es eigentlich wissen müßten:
Was ist das Kreuz?
Manche sagen: ein Folterinstrument – und das stimmt. Ein, wenn nicht das grausamste Mordwerkzeug der damaligen Zeit.
Andere sagen: ein religiöses Symbol – auch das stimmt. Wobei wir ja auch wissen: das Symbol an sich tut nichts. Ich werde am Ende nicht gerettet, weil ich ein hübsches Gold-, oder Silberkreuz um den Hals hängen habe.
Wieder andere sagen: nur zwei Balken, tot und stumm –
und selbst das hat seine Wahrheit. Wie gesagt: es ist erstmal ein Mordwerkzeug gewesen. Heute ist es oft nur Schmuck. Für sich allein genommen ist es für alle Menschen erstmal ein Konstrukt aus zwei Balken - die weder retten noch verdammen können, wenn Sie mir dieses drastische Wort einmal erlauben…
Wenn wir als Christen auf dieses Kreuz-Zeichen schauen,
wenn wir wirklich hinschauen, dann sehen wir mehr.
Nicht, weil wir naiver sind – sondern weil wir tiefer sehen, weil uns das Kreuz etwas „sagt“.
Dieses Kreuz ist für uns nicht zuerst das, was Menschen einem Menschen angetan haben –
sondern das, was Gott für uns getan hat: nämlich alles zu geben, selbst das Liebste.
Deswegen können wir auch das sagen:
– Wenn jemand fehlt – und es niemand merkt:
Der am Kreuz sagt: Du bist nicht vergessen.
– Wenn jemand trauert – und sich abwendet von der Welt:
Der am Kreuz sagt: Ich bleibe bei dir.
– Wenn einer das Gefühl hat, er zählt nichts, er gilt nichts:
Der am Kreuz sagt: Du bist es mir wert gewesen.
Das Kreuz - der am Kreuz - ist kein Trostpflaster.
Es ist ein Brandmal der Liebe. So wie man früher Tieren ein Zeichen eingebrannt hat,
und das ja mit Schmerzen verbunden ist… Es sagt also nicht: „Alles wird gut.“
Es sagt: „Ich gehe mit dir, ich laß dich nicht allein – selbst wenn nichts mehr gut ist.“
So ist es mit dem am Kreuz und auch mit seinem Zeichen…
Manchmal sagen Menschen - Sie kennen das auch:
Dieses Kreuz – es steht im Weg. In Klassenzimmern. In Gerichtssälen.
Auf Gipfeln. An Straßenrändern. Und wissen Sie was?…
Vielleicht soll es das. Vielleicht muß es das sogar.
Denn das Kreuz erinnert uns an das, was wir gern vergessen:
– an das Leid, das nicht vorbei ist.
– an die Wunden, die keiner sieht.
– an die Liebe, die sich nicht durchsetzt – sondern sich hingibt.
Dieses Kreuz, es steht sozusagen „quer“ zur Welt, es „durchkreuzt“ die Welt. Es steht:
Quer zum Leistungsdenken, zur Stärke, zur Effizienz. Quer zu allem, was sagt: „Nur wer gewinnt, hat recht.“
Im Kreuz sagt Gott: „Ich bleibe bei denen, die verlieren.“
Das ist eigentlich im Kern das, was Paulus meint: „Er war Gott gleich“, schreibt
Paulus im Philipperbrief, „doch hielt er nicht daran fest, wie Gott zu sein.“ (Phil 2,6)
Jesus hat sich entäußert, er ist weggegangen von dem, was ihm eigentlich zustand –
nicht, weil er mußte, sondern weil Liebe sich entäußert.
Weil Liebe nicht oben bleibt.
Darum sagt Paulus:
„Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod – bis zum Tod am Kreuz.“ (Phil 2,8)
Und dann? Dann tut Gott das, was kein Mensch tun kann: Er erhöht ihn.
Nicht auf einen Thron – sondern ins Herz der Welt hinein.
… und das ist Kreuzerhöhung: Nicht das Hochheben eines
Symbols – sondern ein Aufrichten des Blicks.
Schau hin. Halt aus. Und liebe – da, wo du bist.
Denn wo sein Kreuz steht, da kann Hoffnung wachsen.
Dort beginnt das Pluszeichen +, das dich verbindet mit dem,
der seinen Namen nicht in Gold eingeritzt hat – sondern in Wunden.